Spätestens seitdem die systemische Therapie als Kassenverfahren zugelassen ist, oder seitdem der Begriff „Systemische Pädagogik“ immer mehr Bekanntheit erlangt, ist der systemische Ansatz allgemein mehr ins Bewusstsein gerückt. Doch was macht den systemischen Ansatz aus, und wie kann ich mir eine systemischen Beratung vorstellen?

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In diesem Blogbeitrag gebe ich einen kurzen Einblick in die spannende Entstehungsgeschichte der systemischen Therapie, und stelle Dir einige der wesentlichen Grundpfeiler des systemischen Arbeitens vor. 

Nach dem Lesen des Beitrages hast Du eine konkretere Vorstellung davon wie ein/e systemische/r Familientherapeut/in arbeitet, und ob das zu Dir passt.


Die systemische Therapie – als Therapieverfahren – ist das Resultat einzelner teilweise zeitlich parallel laufender Strömungen. Unter anderem die Heidelberger Schule, Virginia Satir, Salvator Minutschi, Gregory Batson, Paul Watzlawick sowie das Mailänder Modell hatten einen großen Einfluss auf das heutige Resultat.

Da dieser Beitrag als „Einstieg“ in die Thematik gedacht ist, beschreibe ich in diesen Beitrag ausschließlich den innovativen und bedeutsamen Einfluss von Batson und seiner Forschungsgruppe, in weiteren Beiträgen werde ich auf das Zutun der oben genannten Therapeuten und Wissenschaftler den Schwerpunkt legen.


Ein kurzer Einblick in die Entstehungsgeschichte 

 - Schwerpunkt auf Batsons Einfluss 


Im systemischen Ansatz wird davon ausgegangen, dass jeder Mensch Teil von verschiedenen Systemen ist. Diese Systeme können beispielsweise die Familie, ein Team, eine Gruppe oder ein Institut sein. Die Menschen innerhalb dieser Systeme stehen miteinander in Beziehung und beeinflussen sich in ihrem Handeln und Verhalten gegenseitig.


Die Wurzeln dieses Gedanken liegen in der Familientherapie, einer Bewegung, die in den fünfziger Jahren entstanden ist.


Aufgrund häufiger Rückfälle nach ersten Therapieerfolgen, insbesondere von psychotischen Jugendlichen, suchten die behandelnden Therapeuten nach Alternativen. Es entstand immer mehr ein Bewusstsein dafür, in welchem hohen Maße die Familienmitglieder in die Problematik des erkrankten Familienmitgliedes eingebunden waren. So entstand zum Beispiel vereinzelt der Eindruck, dass Familienmitglieder die Behandlung einstellen wollen würden, sobald sich erste Erfolge einstellten.

Die Therapeuten richteten ihren Fokus stärker auf die Familienmitglieder der Patienten. In Anwendung – des damals als selbstverständlich, heute aber als überholt geltenden Ursache-Wirkungs-Denkens (1) – die Ursache und damit die Schuld für das kranke Verhalten ihrer Patienten in dem gestörten Verhalten der Familienmitglieder fanden.

Somit wurde die Ursache – und damit die Schuld – lediglich verschoben, vom „kranken“ Individuum auf die „krankmachende“ Familie.


Batson und Kollegen begannen das schizophrene Verhalten der Patientin oder des Patienten im Zusammenhang mit dem Verhalten der übrigen Familienmitglieder als sinnhaft und in sich schlüssig zu erklären. 

Die Annahme der Sinnhaftigkeit von Verhalten – auch, wenn es dysfunktional und/oder destruktiv erscheint – ist eine Grundannahme des systemischen Arbeitens.

Ein/e systemische/r Therapeut/in versucht den Zweck bzw. die Funktion des Problems zu verstehen.


Folgende Fragen könnte der/die Therapeut/in z. B. stellen:

Für wen ist das Problem ein Problem? Was müsstest Du tun um das Problem aufrecht zu erhalten? Wer würde zu erst merken, dass sich etwas verändert hat?


Eine weitere damalig neue Betrachtungsweise aus dem Arbeitskreis um Bateson war, dass Ängste etc., keine „Dinge“ sind die jemand hat, sondern als „Prozesse“ verstanden werden, die in jedem Moment auf eine spezifische Art und Weise von den Betroffenen aktiv vollzogen werden müssen.


Diese Betrachtungsweise, ein Symptom nicht als statisches „Ding“ dem man passiv ausgesetzt ist, zu betrachten, lässt schafft Raum zur Veränderung. Die feste Zuschreibung wird damit zum einen verflüssigt. Zum anderen wird der Betroffene befähigt, aktiv Einfluss auf die Aufrechterhaltung, aber auch die Auflösung, des Symptoms zu haben.


Der/die systemische Therapeut/in kann dabei unterstützen, diese intrapersonellen (innerhalb einer Person) Prozesse zu vergegenwärtigen, damit ein Prozess des Verstehens angestoßen wird.

1) Die Entstehung von Symptomen lässt sich nicht in Form linearer Ursache-Wirkung-Zusammenhänge erklären (z. B. Je depressiver die Mutter, desto depressiver der Sohn). Soziale und psychische Systeme (wie eine Familie), welche sich durch ihre Komplexität auszeichnen, folgen in ihrer Eigendynamik dem Modell zirkulärer Kausalität (Aufwärts- und Abwärtsspirale). Es geht somit nicht um Ursache -> Wirkung, sondern um Wechselwirkungen.